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Klar, es passiert immer wieder, dass wir uns ärgern:

Über Menschen, verpasste Chancen, Fehler (unsere und die von anderen), Regeln, das Wetter, den Stau, die Endlos-Schleife in der Hotline, die langsame Internetverbindung, das Software-update nachdem gefühlt nichts mehr so ist wie vorher, usw., usw..

Und mir geht es in meinem Leben auch überhaupt nicht darum, nie mehr ärgerlich zu sein.

👉 Mir geht es um den bewussten Umgang, damit der Ärger nicht noch mehr Ärger macht.

Ärger ist quasi eine eingebaute Alarmanlage.

Ich finde meinen Ärger oft sogar hilfreich, zeigt er mir doch, dass da etwas für mich so gar nicht in Ordnung ist. – Für mich ist der Ärger ein Indiz dafür, dass es eine gefühlt deutliche Diskrepanz gibt zwischen meiner Erwartung und dem Erlebten. Somit ist Ärger für mich eine wichtige Information, dass z.B. Grenzen, Werte oder Bedürfnisse verletzt wurden, oder Ziele und Planungen durchkreuzt.

Ärger ist eine mit viel Energie aufgeladene Information.

Und die Energie gibt uns ein Gefühl von Stärke und Selbstbehauptung. Leider verhindert starker Ärger aber auch klares Denken, Reflexion, Perspektivwechsel und Offenheit. Im akuten Ärger sind wir dafür blind. Da finden wir es normal, aufgebracht, empört, laut, wütend, und/oder gar feindselig zu sein. Uns unangemessen zu verhalten scheint okay, weil uns ja ein Unrecht ereilt hat. Ein normaler Reflex ist auch die Suche nach einem „Schuldigen“. Das verschafft uns Erleichterung. Auch wenn es objektiv betrachtet gar nicht gerechtfertigt ist.

Exkurs:

  • Ärger hat je nach Intensität verschiede Spielarten: Unbehagen, Unmut, Missmut, Verdruss, Frust, Wut, Rage.
  • Wut und Rage sind die Steigerung von Ärger. Diese Gefühle entstehen, wenn wir unseren Ärger zu lange herunterschlucken, verbergen. „Was lange gärt, wird endlich Wut.“ (Hanns-Hermann Kersten).
  • Es gibt immer ein Ärgernis, einen Grund, der den Ärger hervorruft. Das können Menschen oder Situationen sein.
  • Ärger und seine Spielarten werden häufig als „negative, nicht konstruktive Gefühle“ bezeichnet. – Ja, mit Ärger im Bauch kann es uns passieren, dass wir uns im Ton vergreifen, falsche Schlüsse ziehen, vorschnelle Entscheidungen treffen, ungerecht agieren und kommunizieren und viel mehr von uns und unseren „empfindlichen“ Seiten zeigen, als uns lieb ist. Es gibt aber keine negativen Gefühle. Von bestimmten Gefühlen lassen wir uns allerdings zu Dingen verleiten, die selten hilfreich, selten konstruktiv sind, und das verleiht ihnen ihr negatives Image.

Vor allem im Job möchten wir souverän und lösungsorientiert wirken, und eben nicht „aus der Haut fahren“. Und weil Wut immer ein gewisses Zerstörungspotenzial in sich trägt, wird sie zudem mit mangelnder Fähigkeit zur Selbstbeherrschung und/oder mit Charakterschwäche verbunden. Daher machen wir lieber eine Faust in der Tasche und beißen unsere Zähne zusammen, als dass wir uns etwas anmerken zu lassen. Na gut – vielleicht mal ein verschnupftes, unterkühltes Verhalten, eine spitze Bemerkung, eine etwas zu laute Antwort.

Aber das Verleugnen und Verdrängen ändert natürlich nichts. Das Ärgernis bleibt, Emotionen stauen sich an und entladen sich i.d.R. im falschen Moment.

Die Wut runterschlucken und in sich hineinfressen ist genauso ungesund, wie ihr ungehemmt freien Lauf lassen.

Wenn wir uns entscheiden, unserem Ärger Luft zu machen, dann sehe ich es wie Hauschka. Dann sollten wir unbedingt darauf achten, dass die Luft gereinigt und nicht die Ernte vernichtete wird!

Was ich allerdings häufig erlebe, sind reflexartige Wutausbrüche mit erhobenem Zeigefinger und anklagend kritisierende Du-Botschaften. Und da ist die Chance groß, dass der/die andere Person ärgerlich reagiert, denn Du-Botschaften sind Du-Depp-Botschaften. Ärger hat also auch noch Ansteckungspotenzial.

Tipp zum Luftmachen:

👉 Hilfreich sind hier die sog. Ich-Botschaften. Sie sind das Gegenteil von Du-Botschaften. Sie klagen nicht an und trennen Person und Verhalten. Dazu in einem der kommenden Blogartikel mehr.

Ärger ist eine Entscheidung.

Mir hilft es, meinen Ärger bewusst als eine eigene Entscheidung wahrzunehmen.
Ich kann mich ärgern, muss ich aber nicht!
Zwischen dem Trigger und meiner Reaktion liegt ein Entscheidungsfreiraum.

  • Ich bin nicht dazu verpflichtet, mich über Fehlverhalten, falsche Entscheidungen, nicht genutzte Chancen, den Ausfall der Heizung, das Gewitter während der Grillparty, den verspäteten Kunden zu ärgern.
  • Ich bin kein Opfer!
  • Ich bin nicht fremdgesteuert. Ich habe immer eine Wahl.

Ich lasse immer seltener zu, dass Menschen oder Situationen so viel Macht über mich haben, dass ich lange wütend oder ärgerlich bin.

Was mir dabei hilft?
Mein tägliches Mantra. „Ich entscheide, wer oder was mich ärgern darf.“
Immer häufiger gefolgt von der Erkenntnis: „Und du oder das steht nicht auf der Liste.“

Ärger als Erkenntnisgewinn nutzen

Wenn sie schon da ist, die Wut, dann macht es Sinn sie zu nutzen.

„Was will der Ärger mir sagen, klar machen?“

  • Was genau ist es, was mich ärgerlich macht?
  • Warum ist da so viel Energie? Was wurde hier getriggert, nicht geachtet?
  • Welche Erwartungen/Wünsche hatte ich eigentlich, die nicht erfüllt wurden?
  • Waren sie realistisch, legitim?
  • Habe ich sie klar geäußert?
  • Wie wichtig ist mir diese Situation?
  • Wie wichtig ist sie in 1 Monat, 1 Jahr?
  • Braucht es tatsächlich eine Reaktion?
  • Welcher Wunsch ist mit dem Ärger verbunden

Das sorgt nicht nur für Erkenntnisse. Das kühlt den Ärger ab und das ist gut!

Denn im Ärger bleiben, ist wie ein glühendes Stück Kohle festhalten.

👉 Und so wir uns entscheiden uns zu ärgern und dem Ärger Luft zu machen, ist das noch lange kein Freibrief für Fehlverhalten!

Ich bin immer wieder verwundert, wie häufig sogar Top-Führungskräfte verärgert und mit erhobenem Zeigefinger durchs Unternehmen laufen und immer und immer wieder zetern, was alles nicht klappt, wer die falsche Haltung und wer mal wieder nicht performt hat, wer nicht genügend commited ist, wer den Ernst der Lage offensichtlich immer noch nicht begriffen hat …

Klar, dem Ärger Luft machen ist einfacher, als ihm auf den Grund zu gehen, zu reflektieren.
Aber Führungskräfte werden nicht für das bezahlt, was einfach ist.

Noch verwundeter bin ich allerdings, dass sie sich wundern, dass sich nichts ändert.
Werden Menschen besser, mutiger, selbstsicherer, eigenständiger, motivierter, wenn sie angezählt werden?

„Ärger über verpasste Chancen“ … na klar – ist menschlich.
„Ärger über ein versammeltes Projekt“ … na klar – ist menschlich.
„Ärger über einen nicht gewonnen Pitch“ … na klar – ist menschlich.

ABER, denk an Ernst R. Hauschka:
„Der Ärger ist als Gewitter, nicht als Dauerregen gedacht. Er soll die Luft reinigen und nicht die Ernte verderben.“

Jetzt wünsche ich dir erst einmal viel Erfolg im Umgang mit deinem Ärger
Heike

Hinterlasse mir gerne einen Kommentar oder melde dich bei mir, wenn du Fragen zur Umsetzung hast oder mit mir an deinen Themen arbeiten möchtest. Ich freue mich auf dich: heike.berger(at)she-leaders.de